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Chemisch und thermisch stabile Fasern für Umwelt und Membranbau

Anwendung chemisch und thermisch stabiler Fasern im Membranbau (Bild: ©iStock.com/Victorburnside)
    PD Dr. rer. nat. Malte Winnacker

    Leiter Kompetenzzentrum Chemiefasern & Vliesstoffe

    T +49 (0)711 93 40-186

DITF entwickeln mit Maschinenbau-Unternehmen neue Anlagentechnik

Schutzkleidung und Heißgasfilter, Hochseesegel und Baumembranen haben eines gemeinsam: sie erfordern chemisch oder thermisch sehr widerstandsfähige Fasern. Fluorkunststoffe erfüllen dieser Voraussetzung, aber ihre mechanische Belastbarkeit ist eingeschränkt. Diese Eigenschaft könnte ein zweiter Kunststoff übernehmen. Das ITV Denkendorf hat zusammen mit Partnern des Maschinenbaus die Prozesstechnologie entwickelt, mit der Fluorkunststoffe mit einem Zweitkunststoff zu Fasern ausgesponnen werden können.

Große Membrandächer werden heute aus mit Polytetrafluorethylen beschichteten Glasfasergeweben hergestellt. Sie zeichnen sich durch hohe Festigkeit aus, haben aber ein hohes Gewicht, das durch entsprechende Tragwerkkonstruktionen aufgefangen werden muss. Mit kunststoffbasierten Fasern könnte mehr als ein Drittel des Gewichts eingespart werden. In Schutzkleidung gegen Chemikalien wie auch bei der Heißgasfiltration bewähren sich Fluorpolymere durch ihre hohe chemische und thermische Beständigkeit. Die erforderliche Festigkeit muss durch Fasern aus einem anderen Kunststoff aufgebracht werden, der den aggressiven Medien ebenfalls ausgesetzt ist. In diesen Anwendungsgebieten ist eine Faser, deren Kern aus einem Kunststoff als Festigkeitsträger und deren Mantel aus einem Fluorkunststoff besteht, die Lösung.

Bikomponentenfasern, insbesondere als Kern-Mantelfasern, sind heute weit verbreitet, zum Beispiel für Schmelzklebe-Anwendungen. Die Kombination der Fluorkunststoffe mit anderen Hochtemperaturkunststoffen wie Polyetheretherketon (PEEK), Polyphenylensulfid (PPS) oder Polyphthalamid (PPA) stellen jedoch Herausforderungen an die Anlagentechnik, die konventionelle Anlagen nicht bewältigen. Die Temperaturbeständigkeit bis über 400°C war eine Anforderung, für die technische Lösungen bereit standen. Fluorkunststoffe bzw. deren bei der Extrusion in Spuren auftretende Zersetzungsprodukte sind allerdings bei Temperaturen über 350°C insbesondere in Verbindung mit Spuren von Wasser hochkorrosiv.

Das ITV Denkendorf hat zusammen mit der REIMOTEC Maschinen- und Anlagenbau GmbH die Grundlagen der Extrusion erarbeitet. Die Extrusionskomponenten der Reifenhäuser Gruppe sowie der Spinnkopf, nach Zeichnungen des ITV, wurden aus korrosionsbeständigem Hastelloy gefertigt. Spinndüsen wurden entwickelt, die dem speziellen Fließverhalten der Fluorpolymere Rechnung tragen. Das ITV hat ein schonendes Reinigungsverfahren für die mit Schmelze behafteten Teile wie Spinndüsen und Extruderschnecken aufgebaut. Der Korrosionsschutz der Spinnpumpen versagte jedoch bei den hohen Temperaturen.

Zur Lösung dieses Problems gewann das ITV die WITTE Pumps & Technology GmbH. Die Firma ist im Bau hochkorrosionsbeständiger Chemiepumpen erfahren, die vergleichsweise kleinen Spinnpumpen waren jedoch Neuland. Der WITTE GmbH gelang es, eine korrosionsbeständige Pumpe zu entwickeln, die die Versuche am ITV mit wiederholten Reinigungszyklen bestand.

Mit dieser neuen Spinnpumpe wurden Bikomponentenfasern aus den aus Schmelze spinnfähigen PTFE und PFA in Verbindung mit PEEK ausgesponnen. Die Polymere wurden von der ElringKlinger AG und von der Firma Victrex zur Verfügung gestellt. Die DIENES Apparatebau GmbH stellte einen neu entwickelten Heizschacht bereit.

Neben den technologischen Voraussetzungen für die Ausspinnung der Fluorkunststoffe darf der Sicherheitsaspekt nicht außer Acht gelassen werden. Die bei Zersetzung entstehende Flusssäure ist nicht nur sehr korrosiv, sondern bei Aufnahme über die Haut oder beim Einatmen der Fluorgase schon in sehr geringen Mengen hochgiftig. Daher wurde zur ständigen Überwachung ein Fluorgas-Detektor installiert und die Mitarbeiter tragen mit frischer Luft gespülte Schutzmasken. Ein Notfallplan wurde erarbeitet, der eventuelle Zwischenfälle beherrscht.

Mit dieser technologischen Ausstattung und den Sicherheitsvorkehrungen begann die Forschungsarbeit. Vorversuche zeigten, dass die strukturviskosen Fluorpolymere keine hohen Spinngeschwindigkeiten zulassen. So wurden die besten Festigkeiten der Bikompontenfasern bei nur einem Zehntel der bei Polyester üblichen Spinngeschwindigkeiten erzielt. Die Festigkeit der Bikomponentenfaser erreichte mit > 30 cN/tex (563 MPa) die gestellte Zielsetzung. Die Analyse der Einzelkomponenten zeigt, dass bei optimierten Parametern noch ca. 20% Steigerung der Festigkeit erwartet werden können.

Die Forschungsergebnisse bilden die Basis für weitere Kompetenzbereiche des ITV wie zum Beispiel den Umwelt- und Architekturtextilien. Die Industriepartner erweitern dank dieser Entwicklung ihr Portfolio in Hightech-Anwendungen und -Produkten.