Cellulose-Chitinfasern – neue Materialien für die Medizintechnik

Vom natürlichen Rohstoff zur Faser. Foto: DITF

Bei Chitin denken viele zuerst an Insekten oder Krebstiere. Doch der in der Natur in Tierpanzern weit verbreitete Zucker könnte schon bald in der Medizin zum Einsatz kommen, so in Verbandsmaterialien. Das wird durch ein neues Verfahren möglich, das Forschende an den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung (DITF) entwickelt haben.

Ob Krabbe oder Käfer: Mit Chitin nehmen viele Insekten und Krebstiere erst Form an. Ihr hartes Äußeres besteht nämlich zu großen Teilen aus diesem Vielfachzucker, der ihre Panzer und Flügel biegsam macht, z.B. beim Maikäfer. Obwohl Chitin in der Natur reichlich und günstig vorhanden ist, spielt es als nachwachsender Rohstoff für die Textilindustrie bisher keine Rolle. Das soll sich nun ändern. Denn Forschende an den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung (DITF) haben ein innovatives Verfahren entwickelt, mit dem sich Chitin als Biopolymer hervorragend mit der ebenfalls natürlich vorkommenden Cellulose verbinden lässt. Das Chitin gewinnen sie aus Krabbenschalen – von denen es anders als an Maikäfern mehr als genug gibt. „Von den Schalen entfernen wir dann noch die Proteine und Kalkbestandteile bevor wir daraus Fasern herstellen“, erläutert Wissenschaftlerin Dr. Antje Ota, die am Kompetenzzentrum Biopolymerwerkstoffe der DITF forscht und maßgeblich am Projekt mitwirkt.

Fasern und Textilien auch Cellulose-Chitin-Mischfasern. Foto: DITF

Cellulose und Chitin in neuer Verbindung

Der Weg zur neuen Faser führt danach über ionische Flüssigkeiten, die das schwer lösliche Chitin umweltfreundlich für die Verbindung mit Cellulose vorbereiten. „Unser Lösungsmittel aus ionischen Flüssigkeiten haben wir so gewählt, dass es für die Verarbeitung von Cellulose und Chitin gleichermaßen geeignet ist. Erstmals ist es möglich, diese Rohstoffe in einem gemeinsamen Prozessschritt zu Fasern zu verarbeiten“, erklärt DITF-Wissenschaftlerin Ota.

Den Heilungsprozess beschleunigen

Ionische Flüssigkeiten (ILs) sind Salze, die schon bei Temperaturen unter 100 Grad Celsius flüssig sind und viele Polymere lösen können, so auch die langkettigen Polysaccharide des Chitins.  Im DITF-Verfahren erreichte der Chitinanteil der biologisch abbaubaren Fasern bis zu 50%. Ein weiteres Plus: Das gegenüber reinen Cellulosefasern um 20 % bis 60% erhöhte Wasserrückhaltevermögen. „Wir versprechen uns von der völlig neuartigen Cellulose-Chitin-Mischfaser großes wirtschaftliches Potenzial, z.B. für den Heilungsprozess beschleunigende Wundauflagen in der Medizin“, sagt Ota. Dafür soll nicht zuletzt die hohe Luftdurchlässigkeit des neuen Vliesstoffes sorgen.

Von den neuen Produktionsverfahren profitiert auch die Umwelt. Die umweltfreundliche Herstellung der Fasern geschieht ohne Zusatzstoffe, das Lösemittel wird fast vollständig zurückgewonnen. Nicht nur für den Rohstoff selbst, sondern auch bei dessen Verarbeitung orientieren sich die DITF-Forschenden damit an der Kreislaufwirtschaft.

Nach Cellulose ist Chitin das zweithäufigste Biopolymer weltweit. Anders als bei Biokunststoffen aus Ackerpflanzen stellen sich damit Fragen der Rohstoffkonkurrenz vorerst nicht – es sei denn auch andere Branchen kommen auf den Geschmack der Krabbenschalen, für den die DITF mit medizinischen Anwendungen einen sehr hochwertigen möglichen Nutzungsweg gefunden haben.

Gefördert wurde die Chitin-Forschung der DITF vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie  vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg.

Als Teil der Zuse-Gemeinschaft wird auch an den DITF praxisnah geforscht. Das Cellulose-Chitin-Projekt ist ein Beispiel für anwendungsorientierte Forschung, die den Wirtschaftsstandort Deutschland stützt.

 

 

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